Wodka Diplomatie

Diplomatische Verhandlungen beruhen auf einem Minimum gegenseitigen Vertrauens. Das Vertrauen in das jeweilige Gegenüber kann durch den gemeinsamen Genuss von Alkohol stimuliert und verstärkt werden. Auf das gemeinsame Wohl zu trinken ist also auch ein Akt kognitiver Selbstentwaffnung beider Verhandlungspartner. Die Leistungsfähigkeit des präfrontalen Cortex‘ des Gehirns wird dabei temporär derart beeinträchtigt. dass man weniger in der Lage ist zu lügen, mogeln oder zu manipulieren und auch zunehmend dazu geneigt ist, für andere Menschen Sympathie zu empfinden. Friedenspfeifen haben historisch eine sehr viel geringere Rolle gespielt. Der Marquis DeSade wusste: „conversation, like certain portions of the anatomy, always runs more smoothly when lubricated”. Churchill’s Trinkfestigkeit galt als legendäre Voraussetzung Allianzen zu schmieden.

In China ist in dieser Hinsicht der Alkohol Báijiǔ (白酒), auch als „weißer Blitz“ geschätzt und eingesetzt, genauso wie der hochprozentige Mautai (茅台 酒) von Bedeutung. Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Man kann den Tisch nicht ohne Alkohol decken“. Kissinger hingegen hat Moutai abwertend als „Petroleum“ bezeichnet und auch bemerkt: “I think if we drink enough Moutai we can solve anything.” (“Ich denke, wenn wir nur genug Moutai trinken koennen wir alles (auf)lösen”.)

Zhou Enlai und Nixon besiegelten die chinesisch-amerikanische Détente nicht mit einem Händeschütteln, sondern mit einem gehobenen Glas. Noch vor einem Jahrzehnt war das chinesische Budget für Alkohol und Bankette höher als der Verteidigungshaushalt. Erst Xi Jinping hat das geändert. Auch das Bretton-Woods-Abkommen gilt als das Resultat massiven Alkoholkonsums. Nicht mitzutrinken gilt in einigen Kulturen, zum Beispiel der russischen, als ein Bruch der Etikette und diplomatischen Protokolls.

Das US-Außenministerium machte 2010 folgende Vorschrift für US-Diplomaten in Kabul: “Each US diplomat based in Kabul is limited to no more than one bottle of hard liquor, three bottles of wine and two cases of beer per day.” (Jeder in Kabul stationierte US-Diplomat kann täglich über nicht mehr als eine Flasche Schnaps, drei Flaschen Wein und zwei Kisten Bier verfügen).

Im UNO-Hauptquartier in New York führte der ständige Alkoholkonsum unter Diplomaten, —unter lautem Protest—zur zweitweisen Schliessung der Bar in der Delegate’s Lounge.